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Krankenversicherung

BGH – Zur Belehrung nach § 19 Abs. 5 VVG / Basistarif keine „andere Bedingungen“ i.S.v. § 19 Abs. 4 VVG

Der Bundesgerichtshof hat sich in der aktuellen Entscheidung vom 27.04.2016 (IV ZR 372/15) mit den formalen und inhaltlichen Anforderungen an eine wirksame Belehrung gemäß § 19 Abs. 5 VVG befasst und zugleich das für die Private Krankenversicherung bestehende Sonderproblem entschieden, dass das Rücktrittsrecht bei grob fahrlässiger Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten nicht deshalb gemäß § 19 Abs. 4 VVG ausgeschlossen ist, weil der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Versicherungsschutz im Basistarif hat.

Zur Belehrung gem. § 19 Abs. 5 VVG

Die Frage, wann eine Belehrung gemäß § 19 Abs. 5 VVG wirksam ist, wurde in der Vergangenheit von den Instanzgerichten höchst unterschiedlich beurteilt. Nun hat sich der Bundesgerichtshof ausführlich mit den formalen und inhaltlichen Anforderungen der Belehrung befasst.

Im entschiedenen Fall hatte der Versicherer das Modell der sog. „Doppelbelehrung“ verwandt, d.h. es fand sich jeweils unmittelbar in räumlichem Zusammenhang den Gesundheitsfragen und der Unterschrift vorangestellt eine drucktechnisch hervorgehobene Kurzbelehrung mit genau bezeichnetem Verweis auf die „letzten Seiten“ des Antragsformulars, wo die dem Versicherer zustehenden Rechte bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht im Einzelnen hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Rechtsfolgen dargestellt wurden. Zusätzlich hatte der Antragsteller eine gesonderte Erklärung zu unterzeichnen, in der ebenfalls unter erneutem Verweis auf die ausführliche Belehrung darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht den Versicherer zum Rücktritt, zur Kündigung oder zur Vertragsanpassung berechtigen kann.

Der BGH hat festgestellt, dass die Belehrung den Erfordernissen des § 19 Abs. 5 VVG standhält.

Formale Voraussetzungen durch die Doppelbelehrung erfüllt

Zunächst hat der Senat auf die Rechtsprechung zur gesonderten Mitteilung verwiesen, wonach es einer von sonstigen Erklärungen getrennten Urkunde nicht bedarf, soweit die Belehrung drucktechnisch so gestaltet ist, dass sie sich deutlich vom übrigen Text abhebt.

Nach diesen Grundsätzen seien bei der hier verwandten „Doppelbelehrung“ die formalen Anforderungen an eine Belehrung erfüllt.

Inhaltliche Voraussetzungen erfüllt

Auch inhaltlich sei die Belehrung nicht zu beanstanden.

Insbesondere stehe es der Wirksamkeit der Belehrung nicht entgegen, dass bei Darstellung der Rechtsfolgen einer Vertragsanpassung nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass kein Versicherungsschutz für einen bereits eingetretenen Versicherungsfall besteht, wenn durch Vertragsanpassung rückwirkend ein Risikoausschluss Vertragsbestandteil wird, der ein Risiko betrifft, das sich sodann in dem eingetretenen Versicherungsfall realisiert hat.

Die Belehrung lautete in Bezug auf die Vertragsänderung wie folgt:

„3. Vertragsänderung (fettgedruckt) – Können wir nicht zurücktreten oder kündigen, weil wir den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Gefahrumstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätten, werden die anderen Bedingungen auf Verlangen Vertragsbestandteil. Haben Sie die Anzeigepflicht fahrlässig verletzt, werden die anderen Bedingungen rückwirkend Vertragsbestandteil. …“

Es fehle zwar anders als beim Rücktritt ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass der Versicherungsschutz auch rückwirkend verloren gehen kann. Der ausdrückliche Hinweis, dass bei fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht die anderen Bedingungen rückwirkend Vertragsbestandteil werden, mache dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer aber hinreichend deutlich, dass er nicht nur im Falle des Rücktritts seinen Versicherungsschutz für die Vergangenheit verlieren kann, sondern auch die Gefahr der rückwirkenden Einführung eines Risikoausschlusses bestehe, was dann zwangsläufig mit dem Verlust des Versicherungsschutzes für bereits eingetretene Versicherungsfälle verbunden sei.

Kein Ausschluss des Rücktrittsrechtes aufgrund des Kontrahierungszwangs im Basistarif

Die umfassende Entscheidung des BGH setzt sich sodann mit dem bisher nicht abschließend geklärten Sonderproblem der Privaten Krankenversicherung auseinander, ob der Versicherer an einem Rücktritt durch § 19 Abs. 4 VVG gehindert ist, wenn er den Versicherungsnehmer im Basistarif aufnehmen muss.

Der Senat hat nun klargestellt, dass dies nicht der Fall ist.

Der Begriff der „anderen Bedingungen“ erfasse den Vertragsschluss im Basistarif von vornherein nicht. Von diesem Begriff seien vertragsändernde Umstände umfasst, nicht aber der strukturell gänzlich andere Vertragstyp Basistarif.

Fazit

Die Instanzgerichte hatten die Anforderungen an eine wirksame Belehrung – auch bei „Doppelbelehrungen“ – unterschiedlich beurteilt, beispielsweise:

  • Das OLG Hamm hatte exakt dieselbe Belehrung nicht für ausreichend gehalten (vgl. Beschluss v. 13.2.2015 – 20 U 169/14).
  • Das OLG München erachtete eine „Doppelbelehrung“ für wirksam (Beschluss v. 05.10.2015 – 25 U 2870/15)
  • Das OLG Stuttgart hielt Belehrungen in Form von einfachen oder mehrfachen sog. Weiterverweisungshinweisen in Versicherungsanträgen nicht für wirksam (Urteil vom 13.3.2014, 7 U 216/13)

Vorliegende Entscheidung setzt Maßstäbe in Bezug auf die formalen und inhaltlichen Voraussetzungen einer Belehrung gemäß § 19 Abs. 5 VVG und erteilt überzogenen Anforderungen an das Vorliegen einer wirksamen Belehrung eine Absage. Wenn die im entschiedenen Fall verwandte Belehrung, welche mehrfach deutlich hervorgehobene Kurzbelehrungen und eindeutige Verweise auf eine inhaltlich zutreffende und hinreichende Belehrung auf die Voraussetzungen und Rechtsfolgen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung enthält, vom BGH gekippt worden wäre, gäbe es keine wirksame Belehrung mehr.

Es kommt jedoch immer auf die konkrete Ausgestaltung der Antragsunterlagen im Einzelfall an. Nach vorstehender Entscheidung wird man als Versicherer jedenfalls mit entsprechend gestalteten Doppelbelehrungen auf der sicheren Seite sein.

Für den Bereich der Privaten Krankenversicherung ist nun außerdem klargestellt, dass ein Anspruch auf Versicherungsschutz im Basistarif nicht das Kriterium der „anderen Bedingungen“ gemäß § 19 Abs. 4 VVG erfüllt.

Kerstin Jeske

Kerstin Jeske ist Fachanwältin für Versicherungsrecht und Partner der Boutique für Versicherungs- und Haftpflichtrecht Steinbeck und Partner.