(cc) Some rights reserved by SBSTNC @flickr

Unfallversicherung

OLG Karlsruhe – Leistungsausschlüsse wegen vorsätzlicher Straftat und Bewusstseinsstörung

Was war passiert?

Die versicherte Person (VP) eines Vertrages über eine private Unfallversicherung (mit einer Invaliditäts-Zusatzversorgung in Gestalt einer monatlichen Rente von 500,00 € bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 50%) war nach einer Karnevalsveranstaltung und nicht unerheblichem Alkoholkonsum schwer gestürzt. Nachdem sie die Veranstaltung im Laufe der Nacht verlassen hatte, war sie am nächsten Morgen am unter Ende der Kellertreppe eines benachbarten Autohauses gefunden worden. Wie sich herausstellte, war die VP durch eine zuvor eingeschlagene Scheibe eines Rolltores geklettert und hatte sich so Zugang zum Gebäude verschafft . Im weiteren Verlauf muss die VP im dunklen Gebäude die Kellertür geöffnet haben und dann die Kellertreppe hinuntergestürzt sein. Die VP erlitt schwere Kopfverletzungen und begehrte aufgrund einer vorgeblichen Invalidität von mindestens 50% die vertraglich zugesagte Rentenzahlung.

Nach den polizeilichen und rechtsmedizinischen Ermittlungen stand fest, dass sich der Sturz zwischen 00:30 und 07:30 Uhr ereignet hatte. Eine um 10:34 Uhr im Krankenhaus entnommene Blutprobe hatte zu diesem Zeitpunkt einen Ethanolgehalt des Blutes von 0,66 Promille ergeben, d.h. im Zeitpunkt des Treppensturzes (zwischen 00:30 und 07:30 Uhr) war von einer Alkoholisierung im Bereich von mindestens 1,0 Promille und höchstens 2,9 Promille auszugehen. An die Geschehnisse hatte die VP aufgrund einer Amnsie keine Erinnerungen mehr.

Der VR hatte das Leistungsbegehren als unbegründet zurückgewiesen und sich auf Leistungsausschlüsse berufen:

  • Der Unfall sei dem Kläger dadurch zugestoßen, dass er vorsätzlich eine Straftat ausgeführt habe (versuchter Einbruchsdiebstahl im Autohaus).
  • Der Unfall habe sich jedenfalls in einem Zustand der Bewusstseinsstörung ereignet, da die VP erheblich alkoholisiert gewesen sei.

Was meint das OLG?

Zum Ausschlusstatbestand der vorsätzlichen Straftat weist das OLG mit seinem Beschluss vom 11.01.2016 (9 U 98/14) zunächst zutreffend auf die dem VR obliegende Beweislast hin, um hieran anschließend auszuführen, dass sich dieser Beweis nicht führen lasse. So stünde nämlich nicht fest, dass es die VP gewesen sei, die die Scheibe eingeschlagen habe. Es könne genauso gut möglich sein, dass ein Unbeteiligter die Scheibe eingeschlagen habe und die VP lediglich habe „nach dem Rechten sehen wollen.“ Sofern man dies dann aber zugunsten der VP unterstellen müsse, dann könne auch nicht von einem vorsätzlichen Hausfriedensbruch im Sinne von § 123 StGB ausgegangen werden.

Zum Ausschlusstatbestand der Bewusstseinsstörung vertritt das OLG die Auffassung, dass nur dann von einem Ausschluss ausgegangen werden könne, wenn feststünde, dass der Unfall einem Nüchternen in dieser Form nicht passiert wäre, denn nur dann könne von einem Anscheinsbeweis zugunsten des VR ausgegangen werden. Da es sich im Streitfall aber so verhielt, dass es im Gebäude „stockdunkel“ war (unstreitig war der Strom ausgeschaltet), hätte der Sturz nach Auffassung des OLG auch einer nüchternen Person passieren können, die nach dem Rechten sehen wollte.

Fazit

Auf den ersten Blick denkt man sich „Das kann ja wohl nicht wahr sein“:

  • Karnevalsparty (wenn auch nicht im Rheinland…),
  • eingeschlagenes Fenster in einem Autohaus,
  • Kellersturz,
  • Minimum 1 Promille…

Da kommt einiges zusammen und es fällt nicht schwer, sich auf diese Umstände recht schnell einen schlüssigen und nachvollziehbaren Reim zu machen (bei dem es in der Tat schwer fiele, der VP Leistungen aus einer Unfallversicherung zuzubilligen). Allerdings wird man hier tatsächlich zugunsten der VP konzedieren müssen, dass diese womöglich „Glück im Unglück“ hatte, denn aufgrund der Faktenlage und der dem VR obliegenden Beweislast ließ sich in der Tat kein zur Überzeugung des Senats zweifelsfreies Bild zeichnen. Der VR konnte schlicht nicht beweisen, dass die VP das Fenster eingeschlagen hatte und ebensowenig vermochte der VR eine Ursächlichkeit des Alkoholkonsums auf den Sturz zu beweisen. Hätte man die VP früher gefunden und noch eine deutlich höhere BAK nachweisen können, dann hätte dies vermutlich die Entscheidung des VR gerechtfertigt. So aber, wie sich die Sach- und Beweislage darstellte, dürfte die Entscheidung des OLG zutreffend sein.

Dr. René Steinbeck

Dr. René Steinbeck ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Boutique für Versicherungs- und Haftpflichtrecht Steinbeck und Partner.