Macht der Versicherer auf Grund einer von seinem VN/der VP begangenen Obliegenheitsverletzung Regressansprüche geltend, so wird dieser Forderung im Prozess gelegentlich mit dem Einwand entgegengetreten, dass der VN/die VP zum Zeitpunkt der Obliegenheitsverletzung nicht schuldfähig gewesen sei. In seinem aktuellen Beschluss vom 17.06.2016 – Az. I-1 W 15/16 – hat sich das OLG Düsseldorf mit den Anforderungen auseinandergesetzt, welche an einen entsprechenden Vortrag des VN/der VP zu stellen sind und wie sich die Beweislast verteilt.
Was war passiert?
Der Beklagte hatte das Fahrzeug des VN, welches bei der Klägerin haftpflicht- und vollkaskoversichert war, von diesem unbemerkt in Gebrauch genommen und lieferte sich in der Folge eine Verfolgungsjagd mit der Polizei. An deren Ende standen zwei beschädigte Polizeifahrzeuge. In der Folge stellte sich heraus, dass der Beklagte vor Fahrtantritt Drogen konsumiert hatte. Der Versicherer des von dem Beklagten geführten Fahrzeugs machte seine Aufwendungen im Regresswege bei dem Beklagten geltend. Dieser berief sich auf einen schuldausschließenden Zustand nach § 827 BGB und beantragte für die Verteidigung gegen die Klage Prozesskostenhilfe. Diesen Antrag wies das OLG zurück.
Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG führt aus, dass der Beklagte für seine behauptete Schuldunfähigkeit beweisbelastet sei. Im vorliegenden Fall käme allein ein die freie Willensbestimmung ausschließender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit im Sinne von § 827 Satz 1 Var. 2 BGB in Betracht. Ein solcher setzte voraus, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Dies sei unter anderem dann der Fall, wenn durch einen suchtbedingten Abbau der Persönlichkeit bereits psychopathologische Störungen entstanden seien. Hierfür mangele es an hinreichenden Anhaltspunkten.
Insbesondere komme dem Urteil des Strafgerichts, in welchem eine verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB festgestellt worden war, keine Indizwirkung zu. Diese Feststellung des OLG ist zutreffend. Denn ein die Willensbildung ausschließender Zustand gemäß § 827 Satz 1 BGB setzt die grundsätzliche Unfähigkeit, sein Handeln von vernünftigen Erwägungen leiten zu lassen, voraus. Dies ist bei § 21 StGB gerade nicht der Fall. Die Vorschrift des § 827 BGB Satz 1 BGB ist daher deutlich enger, als die Vorschrift des § 21 StGB.
Das OLG nimmt sodann zur Prüfung des Vorliegens einer psychopathologischen Störung eine Gesamtwürdigung der vorliegenden Indizien vor. Da der Beklagte die Schlüssel zu dem Fahrzeug in einem unbeobachteten Moment an sich nahm, spreche dies für ein zielgerichtetes Vorgehen unter geistesgegenwärtiger Wahrnehmung einer günstigen Gelegenheit. Auch habe der Beklagte blitzschnell reagiert, als er, zur Vermeidung einer Festnahme, über die Autobahn flog. Dies spreche gegen ein störungsbedingt beeinträchtigtes Verhalten.
§ 827 Satz 2 BGB führe vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Unabhängig davon, dass aus vorgenannten Gründen bereits nicht von einem -auch nur vorübergehenden- schuldausschließenden Zustand im Zeitpunkt der schädigenden Handlungen ausgegangen werden könne, habe sich der Beklagte schon nicht ohne Schuld in einen derartigen Zustand versetzt. Da der Beklagte gewusst habe, welche Substanzen er konsumierte, vermag er den ihm obliegenden Entlastungsbeweis nicht zu führen. Eine mögliche Suchterkrankung ändere hieran nichts.
Fazit
Die Entscheidung des OLG zeigt eindrücklich, dass das Berufen des Regressschuldners auf Schuldunfähigkeit zwar nicht gänzlich aussichtslos ist, jedoch hohe Hürden genommen werden müssen. Bloße Hinweise in Ermittlungsakten (vgl. hierzu LG Neuruppin, Urteil vom 14.01.2016 – 3a O 8/14) oder aber sonstige Indizien sind zwar grundsätzlich geeignet, einen entsprechenden Vortrag zu stützen. Im Ergebnis werden bloße Indizien jedoch regelmäßig nicht ausreichend sein, um mit dem Einwand der Schuldunfähigkeit durchzudringen. Soweit es um Drogen, Alkohol, Medikamente etc. geht, dürfte – soweit hierzu Anlass besteht, was nach dem unstreitigen Sachverhalt in der Entscheidung des OLG bereits nicht der Fall war – an der Einholung eines Sachverständigengutachtens kein Weg vorbei führen.