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Kraftfahrtversicherung

LG Saarbrücken – Zur Prüfungsfrist eines ausländischen KH-Versicherers

Das Landgericht Saarbrücken hat mit Beschluss vom 20.06.2016 – Az. 13 T 3/16 – entschieden, dass dem hinter einem im Ausland zugelassenen Kfz stehenden KH-Versicherer eine achtwöchige Prüfungsfrist einzuräumen ist.

Was war passiert?

Der Kläger machte anlässlich eines Verkehrsunfalls vom 14.09.2015, welcher allein von einem in Portugal haftpflichtversicherten Lkw verursacht wurde, Ansprüche geltend. Mit Schreiben vom 25.09.2015 wurde die Ansprüche gegenüber dem Deutschen Büro Grüne Karte e.V. beziffert. Dieses wiederum teilte dem Kläger mit Schreiben vom 12.10.2015 die Namen und die Anschriften der Beklagten und des inländischen Regulierungsbeauftragten mit. Nach Schriftwechsel mit dem inländischen Regulierungsbeauftragten erhob der Kläger am 17.11.2015 Klage. Die Beklagte hatte die Klageforderung am 21.12.2015 anerkannt, nachdem ihr die Klage im Rahmen des schriftlichen Vorverfahrens am 07.12.2015 zugestellt worden war. Die Parteien erklärten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Das Amtsgericht Homburg belegte den Kläger mit den Kosten des Verfahren. Zu Recht, wie das Landgericht Saarbrücken als Beschwerdegericht entschied.

Die Entscheidung des Landgerichts

Das Landgericht führt aus, dass die Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben habe. Denn zwar werde der Schadensersatzanspruch eines Unfallgeschädigten sofort nach Schadensentstehung fällig (§ 271 BGB). Solange und soweit ein Haftpflichtversicherer jedoch trotz ordnungsgemäßer Behandlung das Regulierungsbegehren eines Anspruchstellers nicht abschließend beurteilen könne, beruhe das Nichtzahlen der Regulierungsleistung auf einem vom Schuldner nicht zu vertretenden Umstand mit der Wirkung, dass kein Verzug eintrete und auch keine Veranlassung zur Klageerhebung bestehe (vgl. BGH, Urteil vom 27.04.1964 – III ZR 128/63, VersR 1964, 749).

Dem ausländischen Haftpflichtversicherer stehe jedenfalls derselbe Zeitraum zur Prüfung zur Verfügung, wie einem inländischen Haftpflichtversicherer. Dieser betrage nach vorherrschender Auffassung in der Rechtsprechung ca. 4 bis 6 Wochen ab Eingang des bezifferten Anspruchsschreibens. Hinzu komme im Streitfall die Zeit, die der Deutsche Büro Grüne Karte e.V. für interne Ermittlungen benötige, um den maßgeblichen ausländischen Haftpflichtversicherer zu bestimmen, nachdem der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs den Unfallort einfach verlassen hatte. Dieser Zeitraum sei zu berücksichtigen, weil es sich um Ermittlungen handele, die zur Abwicklung des Schadens erforderlich seien und die – auch ohne Einschaltung des Deutschen Büro Grüne Karte e.V. – von Seiten des Klägers hätten durchgeführt werden müssen, um den zuständigen ausländischen Haftpflichtversicherer in Deutschland zu verklagen. Dies war vorliegend ein Zeitraum von rund 2 Arbeitswochen, was sich im Rahmen des Vertretbaren halte. Hiervon ausgehend sei von der Beklagten jedenfalls unter den gegebenen Umständen vor Ablauf von insgesamt 8 Wochen seit der erstmaligen Bezifferung des Schadens, mithin vor Ablauf des 20.11.2015, eine Entscheidung über die Regulierung nicht zu erwarten gewesen. Diese Prüffrist war noch nicht ausgeschöpft, als der Kläger am 17.11.2015 Klage erhob.

Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des Landgerichts stellt eine Einzelfallentscheidung dar, als dass sich das Landgericht ausdrücklich nicht zu der Frage geäußert hat, wie lange der Prüfungszeitraum bei Verkehrsunfällen mit Auslandsbezug generell zu bemessen ist. Diese Frage ist in der Rechtsprechung noch ungeklärt (vgl. OLG Karlsruhe, Schaden-Praxis 2003, 391; OLG Koblenz, Beschluss vom 28.10.2015 – 12 W 693/15). Im Ansatz geht das Landgericht völlig zu Recht in Übereinstimmung mit der herrschenden Rechtsprechung davon aus, dass mindestens der einem deutschen KH-Versicherer zuzubilligende Zeitraum von 4-6 Wochen zu gewähren ist (vgl. zur Dauer der Frist auch OLG Stuttgart in DAR 2010, 387, OLG Köln in NZV 2013, 42 sowie  OLG Hamm, Beschluss vom 12.06.2015 – 11 W 47/15). Im Übrigen erscheint – auch wenn dies wenig Rechtssicherheit bietet – anknüpfend an § 93 ZPO eine Einzelfallbetrachtung angezeigt. Danach gibt eine Partei nur dann einen Anlass zur Klageerhebung, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichend annehmen lässt, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen. Nach Maßgabe dessen wird die Entscheidung des Landgerichts nicht die Letzte zu der Frage der angemessenen Prüfungsfrist sein.

Hauke Flamming LL.M.

Hauke Flamming ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht und Partner der Boutique für Versicherungs- und Haftpflichtrecht Steinbeck und Partner.