Das Landgericht Köln hat sich in einer aktuellen Entscheidung vom 29.03.2016 – Az. 36 O 65/16 – dazu geäußert, wann auch bei einem geringen Reparaturschaden (hier 1,5 % des Wiederbeschaffungswertes) ein merkantiler Minderwert in Betracht kommt.
Worum ging es?
Das zum Zeitpunkt des Verkehrsunfall drei Monate alte Fahrzeug des Klägers (Porsche 911 Carrera S Cabriolet ) wurde durch einen Unfall beschädigt. Die Bruttoreparaturkosten betrugen 6.664,29 EUR. Unter anderem wurde das Lenkgetriebe des Fahrzeugs ausgetauscht. Der Kläger trug vor, dass durch den Unfall an seinem Kfz ein merkantiler Minderwert in Höhe von 1.900,00 € eingetreten sei. Dies bestritt die Beklagte unter Hinweis darauf, dass die Reparaturkosten im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert überaus gering seien und eine merkantile Wertminderung daher ausscheide.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht sprach dem Kläger den geltend gemachten merkantilen Minderwert zu. Zwar sei zuzugeben, dass es sich auf den ersten Blick um einen geringen Unfallschaden gehandelt habe. Dieser habe jedoch zu umfangreichen Reparaturen geführt.
Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Unfall zu Schäden am Kfz des Klägers geführt habe, welche bei einem Weiterverkauf offenbarungspflichtig wären. Das Vorliegen eines merkantilen Minderwertes liege somit bei dem im Unfallzeitpunkt gerade einmal seit drei Monaten zugelassenen Premiumfahrzeug des Klägers mit einer Laufleistung von ca. 3.500 km nahe.
Unter Hinweis auf sachverständige Feststellungen führt das Gericht ergänzend aus, dass potentielle Käufer, die bereit seien, deutlich über 100.000,00 EUR für ein nahezu neuwertiges Fahrzeug auszugeben, umso mehr vor dem Kauf eines „Unfallwagens“ zurückschreckten. Jedenfalls würde dieses Käuferklientel den Wagen nicht ohne spürbaren Preisnachlass erwerben.
Kontext der Entscheidung
Die Frage nach dem merkantilen Minderwert ist immer wieder Anlass für intensive Diskussionen. Denn die bloße Fülle an Berchnungsmethoden führt dazu, dass keine allgemeine Anerkennung genießt (so auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.10.2006 – Az. I-1 U 110/06). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei einem nicht offenbarungspflichtigen (fachgerecht reparierten) Unfallschaden ein merkantiler Minderwert nicht gegeben ist. Von nicht offenbarungspflichtige Unfallschäden ist jedoch nur dann auszugehen, wenn es zu einem „Bagatellschaden“ gekommen ist. In ständiger Rechtsprechung geht der BGH davon aus, dass es sich lediglich bei ganz geringfügigen, äußeren (Lack-)Schäden um Bagatallschäden handelt. Ein Blechschaden schließt die Annahme eines Bagatellschadens regelmäßig aus (vgl. BGH WM 1987, 137; BGH NJW 2008, 53 m.w.N.).
Als Zwischenfazit ist somit festzuhalten, dass ein Blechschaden grundsätzlich geeignet ist eine merkantile Wertminderung zu begründen. Dem Landgericht Köln ist daher zuzustimmen.
Im Übrigen bedarf es einer Betrachtung des Kundenkreises für das konkret betroffene Fahrzeug (u.a. Typ, Marke, Laufleistung, Erstzulassung) und dessen Erwartungshaltung. Dies lässt sich im Streitfalle lediglich durch einen Sachverständigen bewerten.
Fazit
Der Streit um den merkantilen Minderwert wird die an der Schadensregulierung Beteiligten weiter begleiten. Die Kasuistik hierzu ist kaum noch überschaubar und in der Praxis drängt sich gelegentlich die Vermutung auf, dass auch die Sachverständigen „sich ihrer Sache nicht sicher sind“. Klassisch für diese Einschätzung ist der immer wieder anzutreffende Fall, wonach der gerichtlich bestellte Sachverständige die merkantile Wertminderung durch die Wahl der „goldenen Mitte“ zwischen den Vorstellungen der Parteien bestimmt.