MFG-Elsava - Nachtflug - 19. Juli 2013 – 001 · (cc) Some rights reserved by cfaobam @flickr

Haftpflichtversicherung

Gefahr aus der Luft – Deckung für Drohnenschäden?

Spielzeug oder Luftfahrzeug? Oder beides zugleich?

Nach inoffiziellen Schätzungen sind es mittlerweile schon rund 400.000 Drohnen, die durch den deutschen Luftraum „surren“. In der wohl überwiegenden Anzahl der Fälle handelt es sich um Drohnen im Privatgebrauch, die – vergleichsweise preiswert – im Internet zu haben sind und vielleicht einfach nur benutzt werden, um von sich und seinen Freundinnen und Freunden Selfies aus der Vogelperspektive machen oder mal beim Nachbarn durchs Fenster im 3. OG schauen zu können.

Ein Schadensszenario.

Wir haben mal den „Bestseller“ unter den Drohnen im Angebot eines großen Online-Versandhändlers ermittelt und mit diesem Produkt ein Haftungs- und Deckungsszenario durchgespielt.

  • Bei „unserer“ Bestseller-Drohne handelt es sich um ein mit Batterien betriebenes Modell (Netzbetrieb wäre auch etwas unpraktisch…) mit einem Gewicht von 158,6 Gramm und Abmessungen von 340 x 330 x 92 mm. Die Drohne verfügt über eine Kamera mit einer Video-Aufnahmefunktion. In der Produktbeschreibung des Herstellers heißt es weiter wie folgt:
    Ausgestattet mit LED-Navigationslichtern und Fernbedienung; Signalleuchte für ein realistisches Aussehen und Nachtflug. Genießen Sie die Flüge während des Tages und Licht, Innen-und Außenbereich. Lassen Sie uns beginnen, die Welt von einer neuen Perspektive zu erforschen!
  • Der „Pilot“ unserer Bestseller-Drohne ist 15 Jahre alt und über seine Eltern im Rahmen eines Vertrages über eine Privat-Haftpflichtversicherung mitversichert; eine eigenständige Haftpflichtversicherung für die Drohne gibt es nicht.
  • Was wäre nun, wenn diese Bestseller-Drohne während des Privatgebrauchs aufgrund „leerer Batterien“ über einer viel befahrenen Kreuzung auf die Windschutzscheibe eines Fahrzeugs (ab-) stürzt und es hierdurch zu einem schwerwiegenden Verkehrsunfall kommt, in dessen Folge die Insassen des Fahrzeugs schwer verletzt werden?

Sind die Folgen dieses Schadenereignisses vom Versicherungsschutz der Privat-Haftpflichtversicherung auf der Grundlage der (aktuellen) AHB gedeckt?

Grundsätzlich besteht Versicherungsschutz im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall, dass der Versicherungsnehmer (oder eine mitversicherte Person) wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.

Nach Ziffer A1-6.11 der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (unter Zugrundelegung der Musterbedingungen des GDV, Stand April 2016) sind Schäden durch den Gebrauch von Luftfahrzeugen nur eingeschränkt gedeckt:

A1-6.11.1 AVB PHV
Versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers wegen Schäden, die durch den Gebrauch ausschließlich von solchen Luftfahrzeugen verursacht werden, die nicht der Versicherungspflicht unterliegen.

Es stellen sich mithin ggf. zwei Prüfungsfragen:

  1. Handelt es sich bei unserer Bestseller-Drohne überhaupt um ein Luftfahrzeug?
  2. Wenn ja, unterliegt dieses der Versicherungspflicht?

Gesetzliche Ausgangslage

Um diese beiden Fragen beantworten zu können, bedarf es eines Ausflugs in die Regelungen des Luftverkehrsgesetzes (LuftVerkG).

§ 43 Abs. 2 LuftVerkG bestimmt zunächst einmal die Versicherungspflicht:

§ 43  LuftVerkG
(1) (…).
(2) Der Halter eines Luftfahrzeugs ist verpflichtet, zur Deckung seiner Haftung auf Schadensersatz nach diesem Unterabschnitt eine Haftpflichtversicherung in einer durch Rechtsverordnung zu bestimmenden Höhe zu unterhalten. Satz 1 gilt nicht, wenn der Bund oder ein Land Halter des Luftfahrzeugs ist.
(3) (…).

§ 1 LuftVerkG enthält eine gesetzliche Definition des Begriffs des Luftfahrzeugs:

§ 1 LuftVerkG
(2) Luftfahrzeuge sind
1. Flugzeuge
2. Drehflügler
3. Luftschiffe
4. Segelflugzeuge
5. Motorsegler
6. Frei- und Fesselballone
7. [aufgehoben]
8. Rettungsfallschirme
9. Flugmodelle
10. Luftsportgeräte
11. sonstige für die Benutzung des Luftraums bestimmte Geräte, sofern sie in Höhen von mehr als dreißig Metern über Grund oder Wasser betrieben werden können. Raumfahrzeuge, Raketen und ähnliche Flugkörper gelten als Luftfahrzeuge, solange sie sich im Luftraum befinden. Ebenfalls als Luftfahrzeuge gelten unbemannte Fluggeräte einschließlich ihrer Kontrollstation, die nicht zu Zwecken des Sports oder der Freizeitgestaltung betrieben werden (unbemannte Luftfahrtsysteme).

Beachte: Die in § 1 Abs. 2 Nr. 11 Satz 3 LuftVerkG enthaltene „Ausklammerung“ von unbemannten Fluggeräten vom Begriff des Luftfahrzeugs, sofern sie zu Sport- oder Freizeitzwecken betrieben werden, wurde erst mit Wirkung zum 12.05.2012 ins Gesetz eingefügt. Bis zum 12.05.2012 hätte unsere „Bestseller-Drohne“ als Luftfahrzeug im Sinne von § Abs. 2 Ziffer 11 LuftVerkG gegolten und damit auch – ungeachtet eines Betriebszwecks – der Versicherungspflicht unterlegen.

Grundsätzlich wird man mithin feststellen können, dass die AVB für die Privat-Haftpflichtversicherung mit der Regelung zur Versicherungspflicht im Luftverkehrsgesetz korrespondieren, d.h. alles, was der dortigen Versicherungspflicht unterliegt, ist unter der Privat-Haftpflichtversicherung nicht gedeckt. Im Grunde handelt es sich um eine sinnvolle Regelung, denn bei Schäden durch den Gebrauch eines der Versicherungspflicht nach dem LuftVerkG unterliegenden Luftfahrzeuges bedarf der Halter ja gar keiner Deckung unter der Privat-Haftpflichtversicherung (vielmehr würde es sich sonst um eine Doppelversicherung handeln).

Und nun?

Unsere Bestseller-Drohne ist ein unbemanntes Fluggerät, so dass es letztlich streitentscheidend darauf ankommt, ob diese zu Sport- und Freizeitzwecken betrieben wird. Im Falle unseres 15-jägrigen „Piloten“ ist die Sachlage recht eindeutig, d.h. in diesem Fall handelt es sich bei unserer Bestseller-Drohne

  • um ein unbemanntes Fluggerät,
  • das zur Freizeitgestaltung betrieben wurde, und damit
  • kein Luftfahrzeug, d.h.
  • es besteht somit keine Versicherungspflicht, so dass
  • für Schäden durch deren Gebrauch Versicherungsschutz unter der Privat-Haftpflichtversicherung besteht.

Ob eine Abgrenzung zwischen „Spielzeug“ oder „Luftfahrzeug“ im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 11 Satz 3 LuftVerkG geglückt ist, den Deckungsbereich einer Luftfahrzeugversicherung von dem der Privat-Haftpflichtversicherung sinnvoll zu trennen, darüber lässt sich trefflich streiten. Mit welcher Berechtigung soll die Zweckbestimmung einer Drohne maßgebliches Kriterium für die Einordnung als Luftfahrzeug sein und damit dann auch die Notwendigkeit einer zusätzlichen Haftpflichtversicherung begründen? Ist die von einem professionellen Landschaftsfotografen betriebene Drohne potentiell gefährlicher als die eines bloßen „Spanners“?  Wieso sollte eine 1 Kilogramm schwere Drohne, die zu Freizeitzwecken genutzt wird, kein Luftfahrzeug sein und nicht der Versicherungspflicht unterliegen und mit welcher Rechtfertigung sollte dies für eine 150 Gramm  leichte Drohne des Landschaftsfotografen anders sein?

Zielführender scheint uns eine klare Differenzierung, wie sie auch dem GDV vorschwebt, indem z.B. Drohnen mit einem Gewicht von bis zu 250 Gramm generell nicht als Luftfahrzeug gelten, von der Versicherungspflicht nach dem LuftVerkG befreit sind und dann auch dem Versicherungsschutz der Privathaftpflichtversicherung unterliegen. Allerdings ist hier kein „Alleingang“ der Versicherer mit der Maßgabe anzuraten, die Bedingungen in diesem Punkt schlicht zu ändern, denn dann ergäbe sich wiederum die Problematik einer Doppelversicherung (d.h. Drohnen, die der Versicherungspflicht nach dem LuftVerkG unterliegen und zugleich unter den Versicherungschutz der Privathaftpflichtversicherung). Erforderlich ist also eine Modifizierung von § 1 Abs. 1 Satz 3 LuftVerkG durch den Gesetzgeber, d.h. dieser sollte eine klare (z.B. gewichtsabhängige) Trennlinie zwischen versicherungspflichtigem und nicht versicherungspflichtigem Luftfahrzeug anstelle der bisherigen „Spielzeug-Abgrenzung“ setzen; bis dahin gilt die bisherige (wenn auch unbefriedigende) Regelung:

Drohne für Sport und Freizeit =
Deckung unter der Privathaftpflichtversicherung

Dr. René Steinbeck

Dr. René Steinbeck ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Boutique für Versicherungs- und Haftpflichtrecht Steinbeck und Partner.