(cc) Some rights reserved by Laineys Repertoire @flickr

Lebensversicherung

Widerspruchsbelehrung nach § 5a VVG – Aktueller Stand der Rechtsprechung

Gesetzliche Ausgansglage

Nach § 5a VVG a.F. war es zulässig (und weit verbreitete Praxis), die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Informationen, wie die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) sowie die Vebraucherinformation nach § 10a VAG a.F erst zusammen mit dem Versicherungsschein zu übermitteln (so genanntes Policenmodell). Zum Schutz der Interessen des Versicherungsnehmers sah § 5 Abs. 1 VVG ein Widerpsruchsrecht zugunsten des VN vor, welches  – für die Lebensversicherung – binnen 30 Tagen auszuüben war. Der Lauf dieser 30-tägigen Widerspruchsfrist begann gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG erst,

„wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.“

§ 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sah indes weiter vor, dass das Widerspruchsrecht des VN jedenfalls nach Ablauf eines Jahres nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, und zwar

  • unabhängig davon, ob dem Versicherungsnehmer die erforderlichen Vertragsunterlagen übermittelt wurden und
  • unabhängig davon, ob er in der notwendigen Form über sein Widerspruchsrecht belehrt worden war.

EuGH-Urteil vom 19.12.2013

Mit Urteil vom 19.12.2013 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. mit dem Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren ist. Dass ein Widerspruchsrecht spätestens mit Ablauf der Jahresfrist nach Zahlung der Erstprämie erlöschen konnte und dies völlig unabhängig von einer zutreffenden Belehrung, erachtete der EuGH für nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, so dass der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 07.05.2014 eine richtlinienkonforme Auslegung von § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. vornahm.

Richtlinienkonforme Auslegung gemäß BGH-Urteil vom 07.05.2014

Nach Auffassung des BGH war insoweit eine planwidrige Regelungslücke vorhanden, die richtlinienkonform mit der Maßgabe zu schließen war, dass § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherung zur Lebensversicherung nicht anwendbar ist und für diesen Fall zu gelten habe, dass das Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers, der nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist und/oder die Versicherungsbedingungen oder eine Verbraucherinformation nicht erhalten hat, grundsätzlich auch über die dort angegebene Jahresfrist hinaus fort gilt.

Seither hat sich in zahlreichen Fällen die Frage gestellt, unter welchen Voraussetzungen von einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers nach § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auszugehen ist. § 5a Abs. 3 Satz 1 VVG a.F. setzt insoweit voraus, dass die Belehrung in formeller Hinsicht

  • schriftlich,
  • in drucktechnisch deutlicher Form

zu erfolgen hat

und sich inhaltlich auf den

  • den Fristbeginn und
  • die Dauer erstrecken muss.

Wir haben im Folgenden die bislang ergangenen Entscheidungen im Hinblick auf die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung im Sinne des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. zusammengefasst und möchten an dieser Stelle einen Überblick über eben jene von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen bieten:

Wann genügt die Widerspruchsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen?

  1. BGH, Urteil vom 10.06.2015 (IV ZR 105/13)
    Wenn ein Versicherer in seiner Widerspruchsbelehrung nach § 5 VVG a.F. auf die Möglichkeit der Widerspruchserhebung in „Textform“ hinweist, dann ist dieses ausreichend! Der Begriff der Textform ist insoweit auch nicht weiter erläuterungsbedürftig, sondern genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung.
  2. BGH, Urteil vom 14.10.2015 (IV ZR 211/14)
    Eine Widerspruchsbelehrung ist dann nicht formell ordnungsgemäß, wenn sie vorgibt, dass der Widerspruch „schriftlich“ zu erheben sei. Da § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG mit Wirkung zum 01.08.2001 durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13.07.2001 mit der Maßgabe geändert wurde, dass der Widerspruch auch in „Textform“ erfolgen kann, muss sich dieses auch in der Widerspruchsbelehrung wiederspiegeln.Wenn mithin bei einem Vertragsabschluss, auf den das VVG in der zum 01.08.2001 geltenden Gesetzeslage Anwendung findet, über das Widerspruchsrecht mit der Maßgabe belehrt wird, dass der Widerspruch „schriftlich“ zu erheben sei, dann ist diese Belehrung nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht ordnungsgemäß und vermag somit nicht die Ausübungs-Höchstfrist von einem Jahr ab Zahlung der ersten Prämie in Gang zu setzen.
  3. BGH, Urteil vom 14.10.2015 (IV ZR 284/12)
    Die drucktechnische Hervorhebung der Widerspruchsbelehrung ist nicht ausreichend, wenn lediglich der erste Satz der Belehrung durch Fettdruck hervorgehoben ist, der Rest jedoch weder durch Fettdruck, noch in anderer Weise hervorgehoben ist und daher vom VN übersehen werden kann.
  4. BGH, Urteil vom 28.10.2015 (IV ZR 164/15)
    Wenn eine Widerspruchsbelehrung, die hinsichtlich des Beginns der Widerspruchsfrist an den Erhalt des Versicherungsscheins und der Verbraucherinformation anknüpft, den Erhalt der AVB aber unerwähnt lässt, dann ist eine solche Widerspruchsbelehrung unzureichend und insoweit auch nicht geeignet, die Widerspruchsfrist wirksam in Gang zu setzen.
  5. OLG Koblenz (Beschluss vom 18.06.2015 – 10 U 41/15, NJW-RR 2015, 1249)
    Im Hinblick auf die nach § 5 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. erforderliche drucktechnische Hervorhebung der Widerspruchsbelehrung ist es nach Auffassung des OLG Koblenz ausreichend, wenn der Text der Widerspruchsbelehrung eingerückt und durch Sternchen links und rechts des Textes vom übrigen Text abgehoben ist. Erforderlich sein, dass diese Belehrung den flüchtigen Leser sofort ins Auge springt, was durch die Hervorhebung mittels sog. „Sternchen“ gewährleistet sei.
  6. OLG Hamm, Beschluss vom 30.07.2015 (20 U 48/15)
    Wenn ein Versicherer in einem Begleitschreiben zum Versicherungsschein (welches nicht einmal eigenhändig unterzeichnet ist) über das Widerspruchsrecht belehrt, ohne die notwendigen Bestandteile der Verbraucherinformation aufzulisten und ohne über die Rechtsfolgen des Widerspruchs zu belehren, dann ändert dies nichts an der Wirksamkeit der Widerspruchsbelehrung.

Resümee

Die Widerspruchsbelehrung scheitert regelmäßig an den folgenden „formellen Hürden“: Regelmäßig wird bei Verträgen, die nach dem 01.08.2001 abgeschlossen wurden, noch immer belehrt, dass der Widerruf schriftlich erfolgen soll (obwohl bereits die Textform zulässig ist) und regelmäßig knüpfen Belehrungen nur an den Erhalt des Versicherungsscheins und der Verbraucherinformation an, nicht jedoch an den insoweit ebenfalls fristauslösenden Erhalt der AVB.

Schließlich geht es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs immer wieder um die Frage der drucktechnischen Hervorhebung. Hier wird man als Leitlinie festhalten können, dass selbst dem flüchtigen Leser der Versicherungsbedingungen die Belehrung „auffallen muss“. Ein Teil der OLG-Rechtsprechung (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.) lässt insoweit eine Sternchen-Hervorhebung ausreichen, während der BGH darauf hingewiesen hat, dass Fettdruck zwar grundsätzlich zur drucktechnischen Hervorhebung geeignet ist, nicht jedoch dann, wenn nur der erste Satz der Widerspruchsbelehrung fettgedruckt ist.

Dr. René Steinbeck

Dr. René Steinbeck ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Boutique für Versicherungs- und Haftpflichtrecht Steinbeck und Partner.